Dieser Beitrag gibt einen kleinen Einblick in die verschiedenen Sprachen und Schriften, die bei der Niederschrift der heiligen Schrift und den dazugehörigen Schriften der jüdischen Überlieferung verwendet wurden. Dies ist nicht nur historisch interessant, sondern kann auch zu einem tieferen Verständnis der heiligen Schrift führen. Willkommen in der Sprachverwirrung von Babel!
Hebräische oder aramäische Sprache?
Die Haggada, in der es um Erzählungen und Handlungsanweisung für das jüdische Pessachfest geht, ist anfangs auf Aramäische zu lesen und wechselt dann an einer ganz bestimmten Textstelle ins Hebräische (wenn im Text von dem „kommenden Jahr“ gesprochen wird).
Auch der Tenach, die hebräische Bibel, enthält neben der Thora in hebräischer Sprache Texte aus dem Aramäischen wie die Bücher Daniel und Esra. Der Sohar und andere Werke der Kabbala sind ebenso Aramäisch. Der Talmud und der Midrasch (die Schriften über die Auslegung der heiligen Texte) sind in aramäischen Dialekten geschrieben.
Die hebräische Sprache der Bibel ist im Gegensatz zum Aramäischen eine Ursprache, da sie im Fluß der Zeit noch keiner zeitlichen Entwicklung unterworfen ist.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß alle neutestamentlichen Handschriften in griechischer Sprache verfaßt sind. Auch das hat eine tiefere Bewandtnis.
Die hebräische Schrift – biblisch und historisch
Zugehörig zu diesen beiden genannten Hauptsprachen der Bibel gibt es dann entsprechend die hebräischen Buchstabenzeichen und die aramäischen Buchstabenzeichen, in welchen die Sprachen dann in Schriftform niedergeschrieben wurden.
Die hebräischen Buchstabenzeichen sind vom Exil von Babel geformt. Deswegen wird die hebräische Schrift der Bibel auch aramäische Schrift genannt, da sie historisch von der aramäischen Schrift abstammt und somit ihr näher liegt als der althebräischen Schrift. Beide haben 22 Buchstabenzeichen und unterscheiden sich nur in ihrer Zeichendarstellung. Siehe auch rechts die Abbildung einer Talmudseite. Beide Schriftformen sind kaum zu unterscheiden.
„Man nennt unsere hebräische Schrift Aramäisch. Das ist nicht zufällig oder sogar falsch, ein Mißverständnis. Die Zeichen, die Buchstaben werden tatsächlich aramäisch genannt.“
Das jüdische Passahmal, S.46, Friedrich Weinreb
Weinreb nennt es „ein Mißverständnis“ und erklärt, daß die hebräischen Buchstaben vom Exil von Babel geformt sind, daß die Thora die Form ihrer Erscheinung im Exil von Babel, der Welt der „Verwirrung“, bekommt.
Sobald etwas hier in unserer Welt Form annimmt und erscheint, ist es umhüllt von der Form dieser Welt. Somit sind die hebräischen Buchstaben vom ‚Medium‘ der Welt des Exils von Babel geformt. Eine sehr tiefgreifende Aussage.
Das Exil ist eine Folge der Abkehr von der Liebe G-ttes. Im Exil zeigt das Äußere nicht mehr das Innere, sind die hebräischen Zeichen durch dieses Äußere geformt und zeigen nicht mehr direkt das Verborgene des Wortes.
Der Mensch – um hier ein analoges Bild zu geben – lebt auch nicht nur in dieser Welt der Erscheinung, wo nur sein Körper hier sichtbar ist; er lebt auch im jenseitigen, dort wo sein Leib ist. Auch die Thora war schon vor Schöpfung dieser Welt bei G-tt. Die Thora, das sind die Gedanken G-ttes, die im Ewigen sind, die Gedanken G-ttes die ihm präsent werden, nachdem er die Idee hatte, einen Menschen als sein Gegenüber im Abbild G-ttes zu erschaffen. All dies ist jenseits und vor der konkreten Schöpfung.
Aramäische und althebräische Schriftzeichen
Die im Exil von Babylon und vor allem dem Exil von Medien und Persien entstandenen und verfaßten Kommentare zur mündlichen und schriftlichen Offenbarung der Bibel wie Talmud (der Kern, Mischna genannt, ist noch hebräisch) und Midrasch wurden deshalb in aramäischer Sprache verfaßt, weil dort Aramäisch die gesprochene Sprache der Bevölkerung war.
In ältesten gefundenen Texten der heiligen Schrift, die im biblischen aramäisch geschrieben wurden (trotzdem hebräische Schrift genannt), wurde nur der G-ttesnamen Haschem, das Tetragramm, also „G-tt der Herr“ in der alt-hebräischen Zeichenschrift geschrieben (siehe Abbildung rechts), um diesen G-ttesnamen, der auch nicht ausgesprochen werden darf und auch nicht kann, nochmals hervorzuheben.
Ein eigenes und spannendes Themenfeld, das sich hier auftut. Einen sehr guten Einblick in die verschiedenen Sprachen und Schriften zur Zeit des israelitischen Exils gibt dieser fundierte Netzbeitrag: Vortrag „Hebräisch ist Aramäisch“ von Prof. Dr. Stefan Wimmer.