
Im alten Wissen besteht eine Einheit immer aus einer Dreiheit. So besteht die Buchstabenform der Aleph, des ersten Buchstabens des hebräischen Alphabets, die für die „1“, die Einheit steht, bereits aus drei Einzel-Zeichen, die aber erst in ihrer Gesamtheit den Buchstaben Aleph bilden. Auch der Mensch besteht aus einer Dreiheit, die im folgenden Beitrag nun näher betrachtet wird.
Im alten Wissen wird der Mensch in seiner Ganzheit betrachtet. Der Mensch wie er hier in unserer Welt erscheint wird als Dreiheit gesehen. Allgemein wird dem Menschen ein weibliches und männliches Prinzip zugeordnet:
„Und der HERR, Gott, baute das Seitenstück, das er von dem Menschen genommen hatte, zu einer Frau, und er brachte sie zum Menschen.
1 Moses 2:22
Die Spaltung in Mann und Frau erfolgte, weil der Mensch die Welt, das Leben, das Materielle, nicht ihrem Wesen nach beurteilte, sie nicht mit dem Ursprung in Verbindung brachte. Dadurch kam der Mensch in eine tiefere Welt, wo der Körper infolge dieser Haltung ein gesondertes Dasein führt. So wie die Frau jetzt vom Manne abgetrennt ist. Er erfährt jetzt auch die Zweiheit als Trennung, die Gegensätzlichkeiten von gut und böse, Recht gegenüber Unrecht, usw., und kann jetzt auch ermessen, was Wiedervereinigung, was Einswerdung bedeutet:
Der Mann
Die Eigenschaft des Mannes in jedem Menschen verschafft diesem die Möglichkeit, das Wesentliche anzustreben und sucht nach der Einheit:
Das Männliche, ,secher‘, sich erinnern, das auch in jedem Menschen ist, ist das Innere, das nicht Sichtbare. Das Männliche regiert beim Menschen, wo er weiblich ist, in seiner Erscheinung, d.h. sein Verhalten kommt aus dem Inneren. Das männliches Prinzip meint also seine Gedanken, seine Erinnerungen, nicht nur zeitlich gesehen, sondern auch das, was der Mensch aus vorzeitigen Welten in sich trägt.
Das Verborgene bleibt im Unsichtbaren, einer anderen Wirklichkeit, und kann nicht sichtbar gemacht werden, da der Mensch ansonsten hier nicht mehr die freie Entscheidung hat zu glauben und umsonst zu handeln.
Diesem Prinzip entsprechend sind auch Berufsbezeichnungen wie Lehrer, Handwerker oder auch Begriffe wie Schüler und der Leser eines Romanes immer männlich im Wortausdruck, weil hier das Innere eines jeden Menschen angesprochen wird, egal ob er männlich oder weiblich von Geschlecht ist. Dieses rein sprachliche Prinzip hat also nichts mit einem Mann oder einer Frau zu tun, die hier angesprochen werden soll. Es geht zurück auf Prinzipien der althebräischen Überlieferung.
Die Frau
Die Eigenschaft der Frau und des Weiblichen in jedem Menschen steht für den das Körperliche, das Körperliche mit seinen Sinneswerkzeugen, dem darauf aufbauenden menschlichen Kombinationsvermögen und der Intuition. Alles das, was der Mensch mit seinen Sinnen in dieser Welt wahrnehmen und begreifen kann.
Das Erscheinende, das was vom Mensch hier sichtbar ist, ist das Weibliche. Es ist die Umhüllung, der Schleier des Menschen. Das Äußere ist das Weibliche, der Körper, und unser Erscheinen hier ist weiblich. Die Frau, ,nikewa‘, von ,nakew‘, das ‚Loch‘ heißt, welches gefüllt werden muß, da es leer ist. D.h. das Verborgene, das Männliche, gibt dem Erscheinenden , der Umhüllung, die anwesend ist, das Leben.
Der Tierkörper
Vor dem Fall Adams und Evas aus dem Paradies, der dem Ende des 6. Tages und dem Beginn des 7. Tages entspricht, war Leib und Seele des Menschen noch eine Einheit. Und dieser Leib wird jetzt von der Schlange auf die Welt aufmerksam gemacht, er entwickelt seine Sinnesorgane und kann Schlüsse ziehen.
Der Tierkörper wird nicht zum Wesen des Menschen gezählt. Es ist das instinktmäßige, tierische im Körper. Es ist die Kraft, die sich stets weiterentwickeln will. Der Tierkörper handelt nach dem, was ihm eingegeben wird.
Die Schlange ist der Ausdruck des höchsten, am weitesten entwickelten Tieres. Sie ist der körperliche Messias, der Erlöser auf der Gegenseite: sie rät dem Menschen die Entwicklung selber in die Hand zu nehmen. Sie bietet dem Menschen das Königreich von dieser Welt, der unendlichen Entwicklung.
Der Mensch zwischen den Welten
Es heißt, der Mensch unten auf der Erde ist noch der Mensch in Tiergestalt. Der wahre Mensch im Himmel steht dort oben noch getrennt von ihm. Nach unten kommt der Mensch erst am 8. Tag, oben ist er schon da. Aber das oben beeinflusst den Menschen hier unten schon, es ist im gewissen Sinn auch unten schon da. Es heißt der Mensch soll sich hier unten nicht einbilden, dass er schon Mensch sei, seine Erscheinung hat noch die Form eines Tieres.
„G-tt selber macht die „Zweiheit“ durch die Schöpfung. Sie trägt schon die Potenz zur Vielheit in sich. Aber sie hat auch die Möglichkeit zur sofortigen ‚teschuwah‘, zur Umkehr, zur Rückkehr in sich. Je näher der Mensch noch am Ursprung ist, desto greifbarer ist für ihn die Rückkehr und das damit verbundene Glück der Einswerdung. Und desto gewappneter ist er gegen die Versuchungen der Welt der Entwicklung.“
Friedrich Weinreb, Das Buch Jonah, Auszüge aus S.41 und S.42
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„Der Baum der Frucht „macht“ ist die Urform der Entwicklung von der „Zwei“ in die Vielheit hinein. Die Schlange, die ‚nachasch‚, ist die Kraft der Entwicklung, aus der Zweiheit in die Vielheit, an sich. Sie ist das Wesen dieser Kraft. Sie verspricht Erlösung, Erlösung durch Entwicklung, Erlösung als letzte Phase solcher Entwicklung. Doch sie bringt endloses Leid, sie bringt den Tod, sie bringt die Tragödie des ewigen Wartens.“
[…]
„Die Schlange ist also die Kraft, welche die Entwicklung aus der „Zwei“ zur Vielheit zustande bringt. Deshalb erzählt die Überlieferung auch, daß die Schlange in der menschlich-körperlichen Erscheinung identisch ist mit seinem Unterleib, der Region also des ‚Samens‘, des ‚sera‚, der ‚Viel-machung‘. So wie der Kopf die Region des Männlichen und der Rumpf bis zum Unterleib das Gebiet des Weiblichen heißt.“
Der Mensch kann also Unzucht mit dem Leben im Materiellen treiben. Die Berührungsebene zwischen Tier und Mensch ist der Körper, wie er im weiblichen Prinzip zum Ausdruck kommt. Der Körper führt dann ein gesondertes Dasein. Der Mensch sieht dann die Welt nicht in ihrer Zweiheit, er begreift nicht das Leid des Getrenntseins. Die Zweiheit dient ihm vielmehr zur Befriedigung seines Genusses, intellektuell und materiell, d.h. er treibt damit ‚Unzucht‘.
„Es kommt in dieser Welt nun zur Begegnung zwischen dem Tier-Prinzip, das sich im Streben nach Entwicklung, nach Vielheit , nach „Rekorden“ äußert, und dem Frau-Prinzip, also der Wahrnehmungsmöglichkeit und dem Kombinationsvermögen, auf diesen Wahrnehmungen aufzubauen, dem Leben Form zu geben.“
Friedrich Weinreb, Schöpfung im Wort S.166
In die Schöpfung wurde deswegen das Prinzip der Umkehr, des Zurückkehrens, gelegt, sonst wäre diese Entwicklungskraft im Menschen so stark gewesen, daß sie eine Grenze überschritten hätte, wo es keine Rückkehr mehr gibt. Dies drückt sich im Menschen durch den ‚göttlichen Odem‘ aus, der ,neschamah‘, der göttlichen Seele, die ihm eingehaucht wurde.
Somit kann der Mensch sich der Entwicklungskraft entziehen und umkehren, d.h. den Weg der Einswerdung gehen:
„Malchizedek segnet Abraham im Sieg überm die vier Könige aus dem Norden, der Seite des Körperlichen. Durch den Segen wird Lot, jener emotionelle Teil des Menschen, der auch Schlange heißt, aus der Gewalt der Vier befreit.“
Friedrich Weinreb, Leben im Diesseits und Jenseits S.120