Was ist der Talmud wirklich? Im Internet wird dieser Begriff oft voreilig in ein einseitiges Licht gerückt und verurteilt. Um sich ein eigenes Bild zu machen, lohnt es sich, selber einmal genau hinzublicken und dieses Thema zu beleuchten. Eine unten folgende Dokumentation von Arte kann hier einen guten Einstieg ins Thema liefern.
Es dauerte sechs Jahrhunderte, bis der Talmud seine endgültige Gestalt annahm. Dadurch entstand eine einmalige Sammlung von endlosen Diskussionen über alle Themen der Welt. Heute sind die Textteile des Talmud so angeordnet, dass Mischna und Gemara in der Mitte jeder Seite stehen. Sie werden von verschieden Kommentaren umrahmt, die später entstanden, aber unerlässlich für ihr Verständnis geworden sind. Heute setzen die Schüler der Jeschiwa, der Talmud-Hochschulen, den Dialog zwischen den Rabbinern der ersten Jahrhunderte und ihren Nachfolgern fort. Dort ist die Kunst der Kontroverse Teil des Studiums der Alltagsgesetze. Doch vor allem schult der Talmud das analytische Denkvermögen und den kritischen Verstand, umfasst die Grenzen des Absurden so weit wie möglich, um einen Gedanken und seine Widersprüche bestmöglich zum Ausdruck zu bringen. So lernen die Talmudschüler, durch welche geisitige Meisterleistungen der Talmud aus den biblischen Geschichten und ihren scheinbaren Widersprüchen ihre Bedeutung für das praktische Alltagsleben ableitet. Der biblische Text wird dabei als Metapher verstanden, denn in der hebräischen Sprache hat ein Wort oft mehrere Bedeutungen und lässt daher verschiedene Interpretationen zu.
Der Filmbeitrag lieferte mir ein gutes Gesamtverständnis über den Sinn der mündlichen Überlieferung des Talmud und geht historisch auf die Entwicklung des Talmud und das jüdische Leben ein. Für das ernsthafte Studium der Überlieferung spielt die Historie jedoch eine untergeordnete Rolle. Um es auch hier nochmals zu erwähnen: Die Bibel ist kein Geschichtsbuch, es geht hier inhaltlich nicht um ein auserwähltes Volk, denn alle Geschichten darin sind als bildhafte Gleichnisse zu lesen und zu sehen, die Bibel macht zu keiner Zeit Aussagen über unser zeit-räumliches Leben, sie ist als mythisches Bild, als Gleichnis zu betrachten.
Thora-Rolle und mündliche Überlieferung bedingen einander
Ein Ozean des Lichts. Während die Thora das göttliche Licht widerspiegelt, kanalisiert der Talmud dieses Licht und zähmt es. So wie das Meer die Glut der Sonne zähmt. Sich in den Talmud zu versenken heißt, das göttliche Feuer zu zähmen. Doch dem verheerenden weltlichen Feuer ist der Leser damit noch nicht entkommen. Arte-Dokumentation Talmud und jüdisches Leben
Mit anderen Worten gesprochen besagt dies, dass die Thora-Rolle und die mündlichen Überlieferungen, wie u.a. im Talmud niedergeschrieben, zwei Seiten sind, die zu einer Einheit zusammengehören. Denn nur wenn der Mensch wirklich lebt, und den Weg des Lernens geht, dann bedeutet das, dass er die Thora auch in sich selbst weiß und dass in ihm die Verbindung zwischen der Thora und dem Leben hier ständig gegeben ist. Die Handlungen im Leben eines Menschen sind also von entscheidender Bedeutung, denn der Weg des Lernens ist kein reines Studieren, es heißt den Weg im Leben auch zu gehen. Für dieses Verständnis hilft die mündliche Überlieferung.
Deswegen gilt mein Dank hier erneut Friedrich Weinreb, der das Wissen der damaligen Zeit in die Sprache unserer Zeit übersetzt hat, auch Inhalte aus dem babylonischen Talmud, und dessen hinterlassene Ausarbeitungen die Basis dieses Blogs sind. Der Autor dieses Blogs hat den Talmud auf Hebräisch nicht gelesen, er sieht die Gesamtwerke pauschal gesehen weder als ‚gut‘ noch als ’schlecht‘ an: Es mögen dort kritisch zu betrachtende Dinge stehen als auch sehr lehrreiche, und dennoch, er sieht diese als das an, was sie sind: eine mündliche Überlieferung, die uns das passende ‚Gegenstück‘ zur schriftlichen Thora liefert.
Sie wurde von Generation zu Generation weitergegeben und muss immer wieder an das Verständnis der aktuellen Zeit angepasst werden.
Weitere Ausführungen für einen Einstieg in dieses umfassende Thema des Talmud gibt folgende Arte-Dokumentation mit dem Titel ‚Talmud und jüdisches Leben‘: